Dieser Artikel ist Teil von ZEIT am Wochenende, Ausgabe 06/2025.

Helmut Kohl hatte keine Lust auf Debatten im Fernsehen. 1990 beendete er die Tradition, vor der Wahl alle Spitzenkandidaten gemeinsam im Öffentlich-Rechtlichen diskutieren zu lassen, die sogenannte Elefantenrunde. Wer die Macht hatte, konnte es sich lange leisten, Nein zu sagen. Das änderte sich erst 2002 mit dem ersten echten Fernsehduell in Deutschland: Gerhard Schröder traf auf Herausforderer Edmund Stoiber (Stoiber: "Man mag’s beklagen, man mag’s begrüßen, es ist ein Stück Amerikanisierung des Wahlkampfes"). Und nun? Erwarten uns noch sieben Duelle und Quartelle auf wechselnden Sendern vor der Wahl am 23. Februar. Doch lassen sich von TV-Duellen überhaupt noch Wähler umstimmen? Und wenn ja, wie? Eine wissenschaftliche Handreichung.

Was muss ich sagen, um zu gewinnen?

Eins kann man noch vor aller Forschung festhalten: Die Gelegenheiten, bei TV-Duellen Fehler zu begehen, sind für die Kandidaten reichhaltig. Das Publikum wartet nur darauf. Der amerikanische Politikwissenschaftler Nelson Polsby hat politische Duelle einmal mit einem Motorsport-Event verglichen: "Wir sind alle da – die Journalisten, die politischen Experten, die Öffentlichkeit –, um zu sehen, wie jemand in Flammen aufgeht."

Das Risiko ist also hoch. Doch wenigstens das Ziel ist klar: Unterschiede zwischen den Kandidaten herausstellen und zeigen, dass man selbst die bessere Wahl ist. Doch wie erreicht man das? Die Theorie der politischen Kommunikation gibt den Kontrahenten drei Strategien an die Hand: eigene Stärken hervorheben, den politischen Gegner angreifen und sich selbst gegen Angriffe verteidigen. In deutschen Debatten dominiert bislang das Selbstlob, das zeigen Inhaltsanalysen. Das ist auch rational, die Wirkung von Angriffen auf den Gegner ist wissenschaftlich umstritten. Vor allem Amtsinhaber schrecken vor dem Risiko zurück, infolge der Attacke selbst Schaden zu nehmen. Verteidigung schließlich ist die bei Weitem unbeliebteste Strategie – defensiv, das wirkt nicht gut.

Der Politikwissenschaftler Jürgen Maier von der Universität Kaiserslautern-Landau erforscht die Wirkung von TV-Duellen schon seit vielen Jahren. Einmal sei er von einem Politiker angesprochen worden: "Mich interessiert nur eins: Was muss ich sagen, um zu gewinnen?" Er habe ihn enttäuschen müssen, sagt Maier, so einfach sei es halt nicht. Schon allein aufgrund des heterogenen Publikums. Das Einzige, was sich bewahrheitet habe: "Man fährt gut damit, relativ vage zu bleiben und Aussagen zu machen, denen jeder zustimmen kann." Beispiele: "Ich bin für Verlässlichkeit in der Außenpolitik" (Peer Steinbrück 2005), "Wir haben einen Anspruch, und der heißt, dass jeder Mensch die Gesundheitsversorgung bekommt, die er braucht" (Angela Merkel 2013). Eine Studie ermittelte, dass Merkel 2005 ganze 19 Prozent ihrer Redezeit mit solchen Gemeinplätzen verbrachte. Aber Achtung: "Am Ende kann man so kein 90-minütiges TV-Duell bestreiten", sagt Maier. Es müsse schon klar werden, was jemand konkret möchte. Da hilft auch Disziplin beim Sprechen: "Nicht so viele Ähs und Ähms, kurze prägnante Sätze. Keine Schachtelsätze, wie sie etwa Robert Habeck häufig nutzt."

Lohnt sich der Aufwand überhaupt?

Bei ihren TV-Auftritten müssen die Kandidaten ein gemischtes Publikum ansprechen. Die eigenen Fans sollen nicht verschreckt, Unentschlossene überzeugt und der ein oder andere Wähler dem politischen Gegner abspenstig gemacht werden. Als Faustregel gilt: Es schadet nicht, sich auf ein TV-Duell einzulassen, tendenziell verbessert sich das eigene Standing, wenn auch oft vor allem bei den eigenen Anhängern. "Einen SPD-Anhänger von einem CDU-Kandidaten zu überzeugen, ist dagegen ein sehr dickes Brett", sagt Jürgen Maier. Die politischen Einstellungen wirken nämlich wie ein Filter. Was der eigene Kandidat sagt, wird automatisch positiver wahrgenommen. Trotzdem kommt es vor, dass Zuschauer ihre politische Entscheidung im Laufe des Duells verändern. Immerhin etwa jeder siebte Zuschauer, ergab eine Analyse der TV-Duelle von 2002 bis 2017, wechselte nach dem Gucken seine Kanzlerpräferenz.